Ein spannender Vorschlag für ein neues Verständnis der Wirtschaft

Heute morgen hat Gabor Steingart in seinem Morning Briefing schon wieder beklagt, dass da einer keine Träume hat: Der CSU-Politiker und Vorsitzende der Konservativen im Europaparlament Manfred Weber, der seine Kandidatur für die Nachfolge von Jean-Claude Juncker als EU-Kommissionspräsident angekündigt hat.

Nichts desto trotz: Träume gibt es viele. Aber sind es auch die richtigen?

Die Träume der Vergangenheit haben die Realität geschaffen, die wir heute erleben: “Finanzkrise, Klimakatastrophe, Flüchtlingsströme, Fundamentalismus – wir leben in einem Zeitalter zerstörerischen Wandels. Die alten Denkweisen des maximalen Konsums und von Einzelinteressen getriebene Entscheidungsprozesse stoßen an ihre Grenzen. Der Zustand organisierter Verantwortungslosigkeit produziert Ergebnisse, die niemand wirklich wollen kann.” Der Klappentext des Buches Von der Zukunft her führen von Otto Scharmer und Katrin Käufer über die Theorie U bringt es auf den Punkt.

Bevor ich – wahrscheinlich in einem der nächsten Blogposts – detaillierter auf die Theorie U eingehe und wie sie dabei helfen kann, von der Ego-System- zu einer Öko-System-Wirtschaft zu kommen, will ich zunächst auf zwei andere Fragen eingehen:

Wie ist es eigentlich zu der gerade beschriebenen heutigen Realität gekommen? Und wie kann ein Ansatz aussehen, mit dem es sich zum Besseren verändern könnte?

Die bislang für mich plausibelste Erklärung und einen in meinen Augen sehr spannenden Ansatz beschreibt Kate Raworth in ihrem von mir schon mehrfach angesprochenen Buch Die Donut-Ökonomie.

Worum geht es?

Raworth beschreibt auf der einen Seite die klassische Wirtschaftstheorie – und warum sie heute nur noch so wenig mit der Realität zu tun hat, ja teilweise sogar gefährlich ist. Auf der anderen Seite macht sie einen Vorschlag für ein ökonomisches Modell, das uns zu einer nachhaltigen Weltwirtschaft führen kann.

Die unserem heutigen Wirtschaftsverständnis zugrunde liegenden und häufig stark vereinfachten Annahmen wurden in der Zeit zwischen 1870 und 1950 definiert. Sie mögen damals funktioniert haben. Die Wirtschaft war überwiegend lokal und regional ausgerichtet und schon aufgrund des viel kleineren Volumens ist sie einfach nicht an Grenzen gestoßen. Egal ob wir hier von Nachfrage- oder Ressourcengrenzen reden.

Unser heutiges Wirtschaftsverständnis beruht noch immer auf diesen Annahmen. Die Folgen sind eine massive Ressourcenübernutzung, starke Einkommensungleichheiten, eine überwiegend mit sich selbst beschäftigte und kaum noch der Realwirtschaft dienende Finanzwirtschaft, das fehlende Denken in komplexen Systemen, das falsche Bild vom Homo oeconomicus und noch einige Probleme mehr.

Darüber hinaus ist in fast allen Volkswirtschaften das oberste Ziel das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts. In den etablierten Volkswirtschaften – zu denen auch wir gehören – ist es aber sehr zweifelhaft, ob das überhaupt noch länger nennenswert wachsen kann.

Raworth schlägt daher ein anderes ökonomisches Modell vor: den Donut.

Der innere Ring definiert das soziale Fundament, das wir nicht unterschreiten sollten (die Kriterien basieren auf den UNO-Zielen für nachhaltige Entwicklung): Nahrung, Gesundheit, Bildung, Einkommen und Arbeit, Frieden und Gerechtigkeit, politische Teilhabe, soziale Gerechtigkeit, Gleichstellung, Wohnen, Netzwerke, Energie sowie Wasser. In diesen Bereichen sollten wir bestimmte Grenzen nicht unterschreiten. Global gesehen schaffen wir das in keinem der genannten Bereiche.

Der äußere Ring definiert die ökologische Decke, die wir nicht überschreiten sollten (zusammengestellt von Erdsystem-Forschern): Klimawandel, Versauerung der Meere, Chemische Umweltverschmutzung, Stickstoff- und Phosphatbelastung, Süßwasserverknappung, Flächenumwandlung, Verlust der Artenvielfalt, Luftverschmutzung sowie Rückgang der Ozonschicht. In fast allen Kriterien überschreiten wir die Grenzen.

Nicht also Wachstum des Bruttoinlandsprodukts sollte das Ziel sein, sondern der Weg in den Donut: über das soziale Fundament, aber ohne dabei die ökologische Decke zu überschreiten.

In der Umsetzung wird Kate Raworth wenig konkret. Das muss sie m. E. auch nicht. Wertvoll an ihrem Buch ist in meinen Augen die Analyse des aktuellen wirtschaftlichen Systems und ein für mich plausibler Vorschlag für ein zukünftiges Systemverständnis.

Trotzdem zeigt sie verschiedene Handlungsfelder auf: Denken in Systemen, mehr Verteilungsgerechtigkeit oder konsequente Wiederverwertung.

Nichts desto trotz ist die Frage natürlich spannend, wie man diese Gedanken umsetzen kann:

Was bedeutet der Donut für eine Volkswirtschaft?

Was bedeutet er auf regionaler bzw. kommunaler Ebene?

Was bedeutet er für das einzelne Unternehmen bzw. die einzelne Organisation?

Und was bedeutet er für mich als Individuum?

Beispiele gibt es etliche. Wie können wir die nutzen, um für uns etwas zu entwickeln?

Adieda!

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