Update Juni 2024

Hier ist wieder lange nichts passiert. Auf dem Blog, sonst natürlich schon.

Im Jahr 2023 habe ich mich die Hälfte meiner Zeit mit dem Aufbau des ecoHUB als neuem Geschäftsfeld des digitalHUB Aachen e.V. beschäftigt. Im Rest der Zeit konnte ich insbesondere meine Kenntnisse im Bereich der Gemeinwohl-Ökonomie vertiefen und Erfahrungen mit dem Instrument der Gemeinwohl-Bilanzierung sammeln – sicherlich einer der anspruchsvolleren Wege, sich mit nachhaltigem Wirtschaften zu beschäftigen.

Die Anfänge des ecoHUB

Von Dezember 2022 bis November 2023 habe ich im Rahmen einer halben Stelle versucht, mit dem ecoHUB zum Thema nachhaltiges Wirtschaften im digitalHUB Aachen e.V. ein zweites Geschäftsfeld zu entwickeln.

Nach einer gut besuchten Auftaktveranstaltung im Februar 2023 lag der Fokus zunächst darauf, eine erste Basis an Leistungen in Form von Qualifizierungsveranstaltungen zu entwickeln. Entwickelt und durchgeführt haben wir u.a. Workshops zur Nachhaltigkeitsberichterstattung nach Global Reporting Initative (GRI) und European Sustainability Reporting Standards (ESRS) bzw. nach dem Deutschen Nachhaltigkeitskodex (DNK) sowie zum Instrument der doppelten Wesentlichkeitsanalyse.

Wesentlich schwieriger gestaltete sich für mich die Akquise von neuen Mitgliedern für den ecoHUB. Relativ einfach zu gewinnen waren Unternehmen und Organisationen, die zumindest schon mal die sozialen Aspekte der Nachhaltigkeit „in ihrer DNA“ haben sowie erste Startups, die ihren Schwerpunkt auf die ökologische Nachhaltigkeit legen. Von etablierten Unternehmern – tatsächlich durch die Bank weg Männer – kam eher die Reaktion (ich überspitze etwas): „Lass mich mit dem Thema in Ruhe. Ja, ich beschäftige mich mit Nachhaltigkeit, weil mich ein Kunde, die Bank oder der Gesetzgeber dazu zwingen. Aber eigentlich will ich Business as usual, will weiter wachsen und weiter Rendite machen.“

Jetzt stecke ich wahrscheinlich zu tief in der Thematik drin – nicht nur in den Methoden und Instrumenten des nachhaltigen Wirtschaftens, sondern auch in den übergeordneten Themen der planetaren Grenzen, der Auseinandersetzung mit den Unzulänglichkeiten (in Bezug auf echte Transformation) der aktuellen gesetzlichen Verpflichtungen oder alternativen Wirtschaftsmodellen – als dass ich mit so einer Haltung noch vernünftig umgehen kann. Ja, ich erreiche diese Unternehmer sicher nicht mit dem was ich sage bzw. wie ich es sage.

Und vor diesem Hintergrund war es gut, dass meine Zeit im ecoHUB Ende November 2023 zu Ende war und der zunächst auf ein Jahr angelegte Vertrag ausgelaufen ist. Seit Februar 2024 habe ich eine Nachfolgerin im ecoHUB, die jetzt mit einem neuen Ansatz neu durchstartet. Wiebke, ich wünsche Dir dabei allen Erfolg dieser Welt! Das Thema hat es verdient!

Echte Nachhaltigkeit

Ich habe es eben schon angesprochen: Wenn man sich intensiv mit dem Thema nachhaltiges Wirtschaften beschäftigt und dabei auch die planetaren Grenzen sowie unser soziales Fundament nicht aus dem Blick verliert, fallen einem mit hoher Wahrscheinlichkeit die Unzulänglichkeiten des Konzepts der relativen Nachhaltigkeit auf. So liefern die meisten Ansätze der nichtfinanziellen Berichterstattung – wie GRI oder CSRD/ESRS – zwar jede Menge Daten. Durch den fehlenden Kontext – was dürfen wir denn z.B. nach den planetaren Grenzen noch – kommt aber leider nicht zwingend eine Transformationswirkung zustande. Da kann ich dann als Unternehmen zwar richtig viel Geld in die Hand nehmen und mit sehr nachhaltigen Produktionsanlagen den relativen Fußabdruck meiner Produkte senken. Wenn dieses nachhaltige Werk dann auf Wachstum ausgelegt ist, sinkt der absolute Fußabdruck dann doch nicht entsprechend.

In Bezug auf die kontextbezogene Nachhaltigkeit lerne ich gerade sehr die Aktivitäten von r3.0 und Ralph Thurms fantastischen Newsletter zu schätzen. Und die unter Mitwirkung von r3.0 entstandenen Sustainable Development Performance Indicators (SDPI). B.A.U.M. e.V. hat das Handbuch ins Deutsche übersetzt.

Ebenfalls im Ansatz kontextbezogene Nachhaltigkeit und in meiner Wahrnehmung mit mehr Transformationswirkung als bei CSRD/ESRS erlebe ich die Gemeinwohl-Bilanzierung als alternativen Wirtschaftsansatz. Im letzten Jahr durfte ich meine erste komplette Bilanzerstellung begleiten. Aktuell darf ich noch drei weitere Organisationen bei der Bilanzierung begleiten, interessanter Weise alle im kommunalen Kontext. 

Was ist jetzt alternativ daran? Anders als in der neoklassischen Wirtschaftstheorie stehen nicht Wachstum und Rendite im Vordergrund. Natürlich muss am Ende Gewinn übrig bleiben. Durch den werteorientierten Ansatz – was tut das Unternehmen bzw. die Organisation für Menschenwürde, Solidarität und Gerechtigkeit, ökologische Nachhaltigkeit sowie Transparenz und Mitentscheidung – wird aber der Fokus verschoben auf das, was für eine lebenswerte Gesellschaft in einer intakten Umwelt nötig ist. So, wie wir uns das auch in unser Grundgesetz und in viele Landesverfassungen geschrieben haben. Wie z.B. in § 24, Abs. 1 der Landesverfassung von NRW: „Im Mittelpunkt des Wirtschaftslebens steht das Wohl des Menschen“. 

Persönliche Resilienz

Die intensive Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit und den planetaren Grenzen hat aber noch eine „Nebenwirkung“: Was macht das eigentlich mit mir, wenn da die Erkenntnis kommt, dass die Verantwortlichen dieser Welt offensichtlich immer noch nicht verstanden haben, was die Stunde geschlagen hat? Oder sie verstehen es vermutlich schon, sehen sich aber in so vielen Zwängen gefangen, dass sie glauben nicht entsprechend handeln zu können. Wenigstens zeigen in meiner Wahrnehmung zu viele Handlungen immer noch in die falsche Richtung.

Wie sorge ich also dafür, dass ich über diesem ganzen „Schlamassel“ nicht depressiv werde? Und das mit zwei Kindern im Alter von 13 und 10 Jahren. In welcher Welt werden die einmal leben?

Jürgen Maubach – den ich sehr für seine Arbeit bei Zeitfenster Aachen und insbesondere den Inspiring Mornings schätzen gelernt habe – hat es kürzlich in einem Gespräch mit einem Trauerbewältigungsprozess verglichen: Zuerst Wut über das, was ist. Dann Hilflosigkeit und Resignation, die die eigene Wirksamkeit in Frage stellen. Und dann die Frage, wie ich den Bogen zurück zur Hoffnung finde? Nicht Optimismus (alles wird gut), sondern Hoffnung in dem Sinne, wie es als Zitat Vaclav Havel zugeschrieben wird: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgehen wird, sondern die Gewissheit, dass etwas sinnvoll ist, unabhängig davon, wie es ausgeht.“

Ich freue mich über jeden Austausch zu diesen Themen – und gerne über einen Kontakt.

Adieda!

#gerneperdu

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